Mensch Menz – Die Kolumne. “Loslassen”

Hallo in die Runde,

 

ich höre auf. Ich gebe es auf. Ich lasse es sein. Ich habe mich verbissen, es aber vielleicht noch frühzeitig bemerkt.
Keine Sorge, ihr dürft auch weiterhin „freiwillig“ in den nächsten Ausgaben meinen Gedankensprüngen folgen. Ich bleibe bei der #Laufzeit. Aber mal unter uns, wann habt Ihr zuletzt diese Gedanken gehabt?

Loslassen. Ein echt schweres Thema. Manchmal unangenehm, aber ab und zu auch eine Chance oder der einzige richtige Schritt. Wenn wir ehrlich sind verbeissen wir uns doch des öfteren in verschiedene Projekte. Das kann die Marathonvorbereitung sein oder einfach nur ein privates Problem, wo wir ganz genau wissen das aufhören/aufgeben oder einfach loslassen der bequemere Weg wäre.
Klar,, jetzt kommen euch vielleicht viele der „klugen“ Sprüche aus den Motivationsbüchern der Welt in den Kopf. „Außerhalb der Komfortzone fängt das Leben an“. „Was uns nicht umbringt macht uns nur noch härter“ und ein Klassiker: „Jede/r kann alles schaffen was er/sie möchte“.

Aber wo fängt unsere eigene Wertschätzung an und wo hört diese auf? Sind wir nur „wertvoll“ wenn wir dieses Problem lösen, diesen Erfolg einfahren oder einfach nur der Welt da draußen zeigen was für ein cooler, erfolgreicher Mensch wird sind? Für alle die, die jetzt nicht mehr weiter lesen wollen. Keine Sorge, das wird heute keine Psycho Nummer. Ihr habt schon das richtige Magazin gekauft.

Loslassen heißt manchmal auch für uns Sportler zu reflektieren, ob der Aufwand und der Nutzen in der richtigen Relation steht. Und gerade nach den Olympischen Spielen, wie denen davor auch, steigert sich die Zahl der Rückritte vom Leistungssport.
Alles gegeben. Alles geschafft oder doch wieder knapp daran vorbei. Irgendwann stellt man sich die Frage. Noch ein Versuch? Noch mal alles von vorne? Bin ich bereit dazu? Ist mein Umfeld dazu bereit alles noch einmal mit zu durchleben und mich zu unterstützen? Oder man stellt sich die Frage, ob da draußen nicht noch mehr ist auf das man bislang aufgrund des Verzichtes verzichtet hat.
Ja klar, manche kommen auch in das Athlet*innen Alter wo es „normal“ ist aufzuhören. Sich selber einzugestehen das die Uhr ab einem gewissen Lebenalter gegen einen läuft, ist wohl die härteste Erkenntnis die man als Sportler*in haben kann.

Arne Gabius hat zum Beispiel alles noch einmal aktiviert für den Olympia Traum. Profiläufer, Arzt, Familienvater. 40 Jahre jung. Die Norm nicht gelaufen zu sein ist kein Scheitern. Im ersten Gefühl vielleicht schon, aber mit Abstand betrachtet hat man alles dafür gegeben was die Umstände zugelassen haben. Diese Zeiten als Master Läufer zu erziehlen, nötigen alleine schon Respekt ab. Also Arne, Respekt.
Denise Krebs, für mich das Steh-auf-Männchen (gibt es eigenlich auch ein Steh-auf-Weibchen) der Mittelstrecke. Der ständige Wille alles zu geben, sich immer mal wieder zu hinterfragen und dann auch neue Wege zu gehen. Auch wenn das Schicksal oder der Verband das eine oder andere mal im Weg standen. Neuer Trainer, neues Umfeld, neues Training, neue Strecke. Mut, der Wille noch einmal alles auf eine Karte zu setzen. Leider auch hier (noch) nicht belohnt.

Was die beiden letztgenannten vereint ist, das sie jetzt ebenfalls losgelassen haben. Arne wird weiter laufen, ganz klar. Denise wird auch weiter laufen, auch wenn sie sagt das es keinen weiteren Versuch auf eine erneute Olympia Quali geben wird. Aber beide vereint es eine Entscheidung getroffen zu haben. Andere Beispiele von Sportler*innen sind in den letzten Wochen hinzu gekommen.
Reklektion ist wichtig. Aus dem Tunnel der eigenen Planungen einmal kurz auszubrechen und nachdenken. Vorsicht jetzt doch noch etwas kulturelles!
„In dir selbst ist eine Ruhe und ein Heiligtum, in welches du dich jederzeit zurückziehen und ganz du selbst sein kannst“. Danke an Hermann Hesse für dieses Zitat.
Ganz klar, bei jeder großen Herausforderung wird es zu Problemen kommen an denen wir wachsen sollen und auch werden. Mentale Probleme, körperliche Herausforderungen und andere Dinge. Was bei den Profis der Job ist, ist für uns Otto-Normal-Athlet*innen die schönste Nebensache der Welt.

Was mir bei „uns“ des öfteren fehlt ist die #Reflektion. Sich zu fragen, ob es jetzt ein „Ego Ding“ ist, warum wir etwas machen was uns mehr schadet als weiterbringt oder ist es der mediale, soziale Druck der „Öffentlichkeit“.
Unsere Öffentlichkeit waren früher unsere Freunde, die wir beim laufen getroffen haben und die von unseren sportlichen Plänen wussten. In Zeiten der Social Media Plattformen sind die Follower das #Publikum welches wir nicht entäuschen möchten. Wir sehen uns selber in der Pflicht etwas darzustellen, eine Leistung zu erbringen und darüber bestmöglich zu berichten. Wir ernten Applaus für ein Bild und sei es noch so gestellt, ob es Fake ist oder nicht interessiert den Follower nicht im geringsten. Wir halten an unserem Auftrag fest und sei er noch so aussichtslos.

Betrügen wir uns da nicht selber einer Sache nachzujagen zu der wir nicht mehr zu 100% stehen? Ist loslassen nicht da eine Erleichterung? Sich lieber zu fokussieren auf die eigenen Interessen? Dem eigenen #Körper Respekt entgegen zu bringen und nicht zu schädigen, nur weil man sich nicht eingestehen kann das der Kampf den man führt uns in eine Sackgasse bringt?
Profis können loslassen. Wir könnten es auch. Wenn wir uns eingestehen das wir mehr sind als nur der schöne Schein. Mehr Wert sind als das eigene Ego was befriedigt werden will.

Ich habe auch losgelassen. Vor kurzem erst. Von einem Projekt. Nicht für Follower sondern fürs Ego.
Keine Sorge, keine lange Läuferstory. Ich fasse mich kurz. Als Jahrgang 1972 starte ich im nächsten Jahr in der M50 (oh-mein-Gott). Mein Credo habe ich von einem der besten Trainer der auf diesem Erdball unterwegs war. Peter Greif (googelt mal). Für Ihn gab es über die 10 km die sogenannte Läufer/Jogger Schwelle. Unter 40 min. Läufer, über 40 min. Jogger. Auch ich sag ja immer das jeder gesunde Mann die 10 km unter 40 min. laufen kann. Kein Ding.

Jetzt laufe ich ja schon lange keine Wettkämpfe mehr. Nur noch für den Spaß und sowieso viel zu wenig. Wollte aber „für mich“ und mein Ego noch mal die 40 min. knacken. Immer nur auf dem Rad unterwegs gewesen und plötzlich läuft “er“ wieder. Den 5 km Test beim ersten mal Laufen mit 19:12 min. bestanden. Nach 4 Wochen ein dickes Knie und ein Knochenödem. 8 Wochen komplette Sportpause. Noch nicht mal #Radfahren. Arthrose Grad 4 – wusste ich ja schon vorher. Jetzt im Alltag wieder schmerzfrei.

Ich höre auf. Ich habe losgelassen. 40 min – 10 km kann ich laufen. Ich weiß es jetzt, hätte es nur noch „machen“ müssen. Aber wofür? Für #Instagram? Für #Strava? Alles für Ego und noch mal alles aufs Spiel setzen? Nein. Loslassen. Ich kann es und Ihr könnt es auch. In dem Moment wenn Ihr merkt das Ihr es euch wert sein solltet.
Es gibt da draußen so viel mehr als ein Ziel, welches immer weniger unser eigenes wird. Aber wenn Ihr ein Projekt habt und es läuft – ja dann lasst es gefälligst rollen. Für euch und auch nur für euch.

Denn ganz im ernst: Wir alle glauben ja das sich die anderen #Menschen so sehr für uns interessieren. Dabei haben alle Ihre eigenen Probleme und denken ganz genau das gleiche wie Ihr. Was sollen denn die anderen denken wenn ich das jetzt nicht durchziehe?
Also ziehen wir es durch – auch das loslassen.

Glück auf – kommt gut und sicher durch den Herbst.
Euer Andreas