“Mensch MENZ” – Kolumne 10/2019 der Laufzeit & Condition


Spitzensport im Niemandsland.  Kennen wir unsere Laufhelden überhaupt noch?

Wie viele Hüte habt Ihr eigentlich jeden Tag auf? Nein, Ihr habt nicht fälschlicherweise die Cosmopolitan gekauft. Ihr seid schon noch richtig bei der Laufzeit & Condition. Mit der Frage der Hüte die man selber trägt, meint man im Coaching welche verschiedenen Aufgaben begleiten dich durch den Tag. Heißt z.B. Arbeit, Familie, Sportverein, eigene andere Hobbys und dann vielleicht noch einen Elternteil pflegen. Ist eine Aufgabe erledigt, Hut ab – neuer Hut auf – was anderes machen. Nicht nur gelegentlich, sondern ständig. Okay, ich sehe schon Ihr verzweifelt, kommen wir zum Sport.

Welche Aufgabe hat heute ein erfolgreicher deutscher Laufsportler, sagen wir mal in der deutschen Spitze. Klar –  trainieren, gesund essen, auf die Regeneration achten und wenn er gerade keinen potenten Sponsor hat auch arbeiten oder studieren. So war es zumindest bislang immer gewesen.

Heute kommt noch ein weiterer Hut (da sind sie wieder) dazu. Eigen-PR. Eigenes Marketing ist für uns alle wichtig. Gehen wir zum Vorstellungsgespräch für einen neuen Job bereiten wir uns vor, ziehen uns gut an – also Eigen PR. Haben wir unser erstes Date mit einem anderen Menschen, zeigen wir uns von der besten Seite – Eigen-PR.

Unsere deutschen Sportler in der Leichtathletik sind nicht auf Rosen gebettet und wenn es doch klappt das sie (gerade so) von Ihrem Sport (über)leben können, steht meist ein Unterstützer dahinter. Die gibt es nicht wie Sand am Meer und so ist es klar und auch nachvollziehbar, dass jeder der sich etwas über diese Schiene verspricht, sich im besten Licht darstellen möchte. Natürlich geht das in den meisten Fällen über Leistung. Doch was nützt dir die beste Bestleistung, wenn du nicht darüber sprichst oder darüber in deinem potentiellen Unterstützerkreis berichtet wird. Da kommt wieder mein Lieblingsthema – Social Media – ins Spiel. Homepage war gestern und ist aber auch noch ein wenig heute. Heut und in Zukunft wird weiter Instagram, Facebook oder andere Soziale Medien das Einkommen der Läufer in Deutschlands Spitze bestimmen. Die User (Nutzer) zahlen zwar keinen Beitrag , leisten Ihn aber durch Ihre Follower-Klicks (deutsch: Sie abonnieren diese Nachrichten). Ist ein Sportler mit vielen „Interessenten“ gesegnet so steigt auch die Chancen, dass er für potentielle Sponsoren aus der Industrie oder dem Sportartikelmarkt interessant wird.  Das heißt aber auch für den Sportler, dass er regelmäßig Content (Nachrichten mit Inhalt) liefern muss. Dies bedeutet Zeit die für anderen Hüte fehlt. Außerdem muss unter dem Hut dann auch Geist sein, nämlich ein kreativer.

Viele der deutschen Sportler nutzen dieses bereits um sich in ein gutes Licht zu rücken. Für manch einen ist es Pflichtprogramm, der andere geht in dieser Aufgabe richtig auf und zeigt plötzlich noch mehr Talente als nur die sportlichen. Und so sollte man denke das bei Millionen an Läufern und Läuferinnen die zahlen der „likes“ bei den besten in unserem Sport durch die Decke gehen müssten.  So habe ich mir mal ein paar Zahlen bei Instagram herausgepickt.

Abonnenten Stand September 2019.  Sabrina Mockenhaupt: 52.300, Anna & Lisa Hahner: 44.700., Konstanze Klosterhalfen: 41.600, Philipp Pflieger: 15.300, Arne Gabius: 11.000, Alina Reh: 7.300, Richard Ringer: 4.250

Das war jetzt nur eine Auswahl von den Läufern der Top 10 in Deutschland was die Leistung angeht. Doch es stoßen in dieses Ranking seit langem weitere Sportler/innen die auch etwas mit Laufen zu tun haben hinzu. Sportliches leistungslevel: Klein- bzw. Mittelklassewagen.  Was macht diese Personen, sind übrigens viele Mädels dabei, so attraktiv für die User das sie ständig Neuigkeiten von Ihnen sehen und lesen möchten? Gründe sind darin zu suchen, dass sich anderen Frauen durch die Aktivität angesprochen fühlen und hier Vorbilder sehen um das gleiche an Sportlichkeit zu erreichen. Oder man vergleicht sich i.S. Outfit und Ausstattung, hat evtl. sogar eine Anregung wie das nächste Laufdress aussehen könnte. Und da kommen wir auch zum Kern. In diesem Fall sind dann gerade diese Art von Sportlern (ja, auch bei den Männern gibt es welche) oder Sportlerinnen (in der Mehrheit) die als meinungsbildenden Personen von der Industrie angesprochen, ausgestattet oder anderweitig gefördert werden. In den meisten fällen sind es dann hier Naturalien, in Form von Sportausrüstungen die man dann (clever) auf den nächsten Bildern wiedersieht.  Die Marketingstrategie der Industrie ist nicht neu, hat aber den Nachteil, das leistungsstarke Sportler/innen oft das nachsehen haben (weil zu wenig Interessierte Abonnenten).

Wen feiert die Laufszene, wen kennt Lieschen Müller vom Lauftreff „Abumseck“? Genau, die mit denen sie sich vergleichen kann und die von Ihren Leistungen ähnlichen Menschen. Den letzten großen Straßenlauf in der Stadt xy….wer den gewonnen hat? Na, der dünne, große der so schnell vorbei war beim Überrunden, das der Luftzug den er mitgebracht hatte, schon angenehm war bei den 30 Grad. Puh, war ja wirklich heiß das Rennen. Sagte Holger Meier von eigenen Lauftreff auch und der kann ja gar nicht auf Hitze, daher war er auch 2 Minuten langsamer. Tat gut nachdem er beim Treff immer so angeberisch vorwegläuft.

Der Grund warum immer weniger Leute auf dem Läufervolk unsere Leistungsträger nicht mehr kennt ist der, dass sie unerreichbar von der Leistung sind. Wir vergleichen uns in Deutschland halt sehr gerne und daher ist der Laufkollege interessanter als der Sieger. Social media kann hier sicherlich weiter hilfreich sein, aber es ist nur ein Hut. Dieser sollte aber weiter vom Leistungssport gespielt werden. Wie sollte der Content idealerweise aussehen?  Er sollte nahbar sein, auch wenn die Leistungen von anderen nicht erreichbar sind. Er sollte menschlich sein, auch wenn die gezeigten Leistungen für viele unmenschlich erscheinen.

Ein anderer Grund könnte aber auch sein, dass es mittlerweile viele Läufer/innen gibt für die der Laufsport ausschließlich der Ausgleich zum Job oder zum stressigen Leben ist. Diese Zeit verbringt man am liebsten mit sich selber und hat dann wenig Interesse daran an andere zu denken, außer sie sind aus den eigenen Familien oder dem Freundeskreis. Laufzeitungen werden (leider) nur sehr selten oder gar nicht konsumiert und da wir ja in Deutschland weiter das Problem haben, das die Leichtathletik oder der Laufsport nicht als massenmedientauglich im TV Sinne gehalten wird. Keine oder wenig medienwirksame Auftritte unserer Starläufer, keine Möglichkeit sich auch denen zu präsentieren die den schnellen Mensch noch nicht kennen. Ich frage mich immer warum das im Fußball funktioniert. Dort werden ja bereits Regionalligaspieler verehrt und die sind 4.klassig und trainieren im Zweifel nicht jeden tag wie so mancher Läufer.

Wenn die eigene Werbemaschine nicht angeworfen wird, klappt es halt auch nicht mit dem eigen PR Aufbau. Und wenn du keine PR machst sinken die Chancen wieder einen potentiellen Großsponsor zu bekommen. Hast du diesen, hat dieser meist eine Marketing Abteilung der dich beim Social Media Auftritt unterstützt oder diesen komplett (in deren Sinne) übernimmt. Was heißt das für die Athleten? Zuerst steht die Eigeninitiative, womit wir wieder bei einem der Grundprobleme sind. Wie wichtig ist der Aufbau der eigenen Marke und sollte man sich diesen Hut nicht regelmäßig aufsetzen.

Ich weiß nicht ob es an der DNA unseres Sportes liegt, denn schon in den 60er/70er Jahren waren wir Läufer ja die verrückten die durch den Park liefen, während andere dort nur saßen oder spazieren gingen. Auch in diesen „frühen Jahren“ hatte der Fußball einen anderen bzw. besseren Stellenwert im Gefüge der deutschen Wohnzimmer.  Aber jammern hilft nicht. Wir haben ALLE (Spitzen- und Breitensport) jetzt die Chance in diesem Ranking aufzuholen. Vielleicht klappt es dann ja bald man mit einem läuferischen deutschen Messi oder Neymar.

Okay – wieder eine Hausaufgabe für euch. Ihr schaut euch nach den deutschen Herbstmarathons mal alle Profile der besten deutschen auf Instagram oder meinetwegen auch Facebook an und lasst mal ein Like da. Kontrolliert wird auch noch nicht morgen – Ihr könnt euch diese Aufgabe ja einteilen.

Ach so, du in der letzten Reihe. Du hattest mich gerade gefragt, warum ich denn so viele Worte (die du ja eh schon alle kennst) in Klammern erkläre? Ganz einfach. Wir, die Laufzeit & Condition sind eine große bunter Lesergemeinschaft. Wenn ich schon mit Begriffen für Menschen zw. 20 und 45 umherwerfe, dann vergesse ich aber auch unsere treuen Leser ab der M70 nicht. Die sollen ja auch mitbekommen, was ich da wieder mal spitz verzapft habe und das war wie immer total übertrieben.

Glück auf Ihr lieben (auch für euer Herbsthighlight) und denkt an die Hausaufgabe

Euer Andreas