Die App läuft mit

Die “Mensch Menz” Kolumne im Magazin “Laufzeit & Condition”

Hallo in die Runde. Wie leicht lassen wir uns eigentlich beeinflussen? Nein, ich meine damit nicht durch den Lebenspartner, sondern mehr durch die Medien. Klar, die TV Formate sind auch nicht besser geworden und vieles wiederholt sich. Nein, ich meine da mehr die Sozialen Medien. Ganz ehrlich, wer hat denn noch kein Facebook, Instagram oder andere Apps auf dem Mobilphone und schaut nicht in freien Minuten mal drauf um sich ablenken zu lassen. Sehen was die Kollegen machen oder auch schauen was es in der Welt da draußen noch so alles zu entdecken gibt.

Wir lassen uns dadurch ja auch gerne inspirieren. Neue Laufklamotten, die irgendjemand den wir nicht kennen, durch die Wälder trägt. Aufgenommen in bestem Licht, mit glücklichen Menschen die ihrer Leidenschaft nachgehen. Es wirkt manchmal ein wenig gestellt. Manchmal? Nee, ganz ehrlich, immer mehr. Wenn man nicht gerade das Zieleinlaufbild von Lieschen Müller vom Lauftreff seines Vertrauens sieht. Verschwitzt, mit Salzrändern an der Tight die sie vor 5 Jahren gekauft hat. Das ist wahres Leben.

Doch die Instawelt möchte uns immer öfter etwas anderes zeigen. Naja, vielleicht hat „Herr Insta“ sich das damals auch anders vorgestellt. Zumindest laufen jetzt Menschen zur Höchstform auf und zeigen Top Leistungen, best gestylt und mit einem lächeln wie beim Model Casting. Fake News – höre ich da jetzt schon wieder einige von euch rufen. JA – richtig. Aber WIR wollen das so. Nur so ist zu erklären warum Influencer einen solchen Zulauf bekommen, mit Followerzahlen die so mancher Sport Profi nicht hat.

Wie ist das zu erklären?  Ist es nicht der Wunsch von uns allen das diese Bilder genau auf uns abstrahlen. Möchte man nicht den eigenen Kopf auf dieses Bild montieren um zu zeigen, dass man es geschafft hat? Das man auch so aussehen kann?

Wir befinden uns in der Zeit der Coaches, der Motivatoren, der Personal Trainer. Selbstoptimieren ist das Wort unserer (Frei-)zeit. Ich meine in nahezu jeder Zeitschrift bekommt man Tipps wie man sein Selbst (sei es äußerlich oder innerlich) verbessern kann. Alles herausholen. Jeder kann es schaffen. Weniger trainieren – schneller werden. Ich hatte mal vor langer Zeit den Spruch entwickelt „gar nicht trainieren – Bestzeit laufen“. Klar – ich übertreibe wieder, aber Ist ja auch mein Job hier.

Aber viele die sich in der Welt des Lauf Social Media verlieren, sind potentielle Kandidaten für Überlastungen oder Übertraining. Wenn andere es können, kann ich es ja auch.  Ich denke auch manchmal sie stehen vor dem finanziellen Burn-out. Denn wenn man bedenkt was man alles halben „sollte“ um ein/eine erfolgreiche/r Sportler/in von heute zu sein, so ist die Geldbörse ständig geöffnet. Lauf- Social Media Plattformen als Werbeplattform sind absolut legitim und gerade die „no names“ mit den schönen Bildern sind die Top Werbeträger von heute. Daher ist es auch nicht verwunderlich das große Unternehmen neben den wenigen Spitzensportlern auch immer mehr die Breitensportler mit Charisma ansprechen. Glaubhaftes Marketing kombiniert mit einer Fan Base die der Mensch mitbringt. Die Kosten sind überschaubar. Meist wird in Naturalien bezahlt, die natürlich auch aufs Foto müssen.

Es hat alles seine Berechtigung, dennoch sollten wir nicht vergessen das vieles doch der schöne Schein ist. Hochglanzwerbung die manchmal wenig realitätsnah ist.

Der schöne Vorteil den die Social Media Welle mitgebracht hat, sind zum Beispiel Portale wie Strava oder andere Plattformen um sein Training zu dokumentieren und zu teilen. Hier ist für die meisten der motivierende Faktor sehr hoch. Dranbleiben und sich vielleicht auch mit der Community auszutauschen. Natürlich hat auch Strava seine Gefahren. Ich hatte euch meine Meinung und meine Erfahrung ja schon vor längerer Zeit beschrieben. Die „Jagt“ nach den KOM`s (Bestleistungen auf einem besonderen Streckenteil) lassen sehr gerne den eigentlichen Teil des Trainings vergessen.   So manch einer ist geradezu KOM-süchtig und hat anstatt seines Trainingsplanes nur das „Ballern“ im Kopf.          

„Ballern“ – vielleicht das Wort der 10er Jahre im Laufsport. Flo Neuschwander hat es ja gesellschaftsfähig gemacht. Auch er ist ein Phänomen des Social Media im Laufsport. Flo ist sicherlich eine Lichtgestallt unseres Sports. Er vermittelt das Laufen nicht öde ist, sondern Ultraspaß machen kann. Wie? Indem man auch mal auf sein Baugefühl hört und es auch mal „laufen lässt“ –  ballern eben.

Das sicherlich viele sich dadurch inspiriert gefühlt haben auch dem Laufsport zu beginnen oder ihn regelmäßiger auszuführen, auch mal bei Wettkämpfen am Start zu stehen ist ein Verdienst von Florian. Doch ohne die Social Media Bewegung hätte es wohl eben nur ein kleiner Kreis mitbekommen. So ging dieser Trend viral.

Was lernen wir aus diesen ganzen Sachen? Social Media ist wichtig für viele Menschen. Wichtig ist aber auch das man erkennt was noch eigenes Leben ist und wo die Phantasie beginnt. Das jeder von uns einzigartig ist und wir nicht alle und alles über den gleichen Kamm scheren können und auch nicht sollten. Wir sollte die Chancen erkennen und immer auf die sichtbaren Gefahren hinweisen.

Doch was würde passiert, wenn plötzlich alles auf einfach ausfallen würde. Kein Netz, kein GPS. 90er Jahre Style.  Dann stehen wir alle wieder mit unserer Stoppuhr in den Laufschuhen und rufen unsere Laufkollegen an um zu fragen ob sie Lust haben mitzurennen.  Spannend wäre zu erkennen wieviel Laufszene heute dann noch übrigbleiben würde. Der harte Kern oder hat es die Social Media Welle incl. der Tools die sie mitgebracht hat wirklich geschafft Menschen vom puren Laufsport zu begeistern.

Ein spannende Frage die sich jeder von uns selbst beantworten kann, wenn man wieder die GPS Uhr ausfällt und man vor der Frage steht. „Ohne alles“ loslaufen oder verzweifelt wieder ins Haus zurück und was anderes machen da Laufen ja jetzt aktuell nicht möglich ist.

Okay Ihr Puristen, ich bin dann mal raus. Meine GPS Uhr hat nämlich wieder 100 %.

Glück auf, euer Andreas